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Hearsafe hört zu: Dead Lord (SWE) im Interview

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Dead Lord v.l.: Olle Hedenström (Gitarre), Adam Lindmark (Schlagzeug), Martin Nordin (Bass) und unser Interviewpartner Hakim Krim (Gesang, Gitarre). © Dead Lord

Die Einflüsse von Dead Lord liegen klar auf der Hand: Der Rock der Siebziger zieht sich in all seiner Pracht durch das neue Album „In Ignorance We Trust“. Sounds aus späteren Jahrzehnten halten die Schweden jedoch für altmodisch. Wie das geht und was Physik damit zu tun hat, erklärt der Frontmann Hakim Krim im Hearsafe-Interview.


Hakim, euer neues Album „In Ignorance We Trust“ klingt abgefahrener als die erst beiden. Einverstanden?

Absolut. Wir sind einfach durchgedreht beim Songwriting. Es gibt einen Akustiksong, einen ruhigen Walzer, eine Popnummer und natürlich viele Heavy-Rocker. Man kann schon sagen, dass das Album vielseitig ausgefallen ist.

Old School rules: Dead Lord zeigen ihr Spielzeug.

Habt ihr euch früher etwa zurückhalten müssen?

Nein, nein, keinesfalls! Aber diesmal ist das einfach so passiert. Wir würden uns allerdings auch langweilen, wenn wir immer die gleiche Platte aufnehmen wollen würden. Diesmal waren viele Ideen gar nicht richtig fertig ausgearbeitet, als wir ins Studio gegangen sind. Als dann die Basic Tracks im Kasten waren, fehlten oft noch die Texte und Gesangsmelodien. Davon habe ich einiges spontan geschrieben, zusammen mit unserem Bassisten Martin (Nordin, Bass – Anm.d.A.), der Harmonien und Chöre ziemlich gut drauf hat. Deshalb klingen die Songs anders, als wenn ich sie zu Hause und alleine fertig komponiert hätte.

Also ist der Einfluss der Kollegen ausschlaggebend für den eklektischen Stil der Platte?

Ja. Von Olle (Hedenström, Gitarre – Anm.d.A.) kommen ganze drei Songs. Mittlerweile haben wir schon soviel miteinander gespielt, dass wir den Stil der anderen sehr gut kennen. Ich muss nicht mal mehr Demos machen. Wir treffen uns, ich erkläre die Akkorde, und dann sollen die anderen was Passendes dazu spielen. Bei einem Song habe ich zum Beispiel nur gesagt: „Hau’ hier mal Drumfills rein wie in der Strophe von ‚Burn‘. Und jeder wusste genau, was damit gemeint ist.“ Ich gebe den Jungs nur das absolute Minimum an Information über die Ideen, und dann machen wir alle einen Song daraus.

Der dritten Platte sagt man nach, über das Schicksal einer Band zu entscheiden. Wäre es da nicht besser gewesen, auf Nummer Sicher zu gehen?

Das könnte schon sein (lacht). Aber in solchen Kategorien denken wir nicht. Wir schreiben lieber  Songs, die uns gefallen – und mit dieser Platte sind wir sehr glücklich. Irgendwelchen Kriterien für Hitsongs zu folgen, ist keine Musik für mich, das ist Politik. Mir ist während der Aufnahmen auch aufgefallen, wie zufrieden alle waren. Keiner hatte irgendwelche Zweifel an den Stücken. Sowas fühlt sich gut an. Die anderen Jungs haben alle einen guten Geschmack, ich vertraue ihnen, sie vertrauen mir. So kann das gerne bleiben.

Du hast mal erklärt, viele Rocksounds aus den Achtzigern oder Neunzigen klängen für dich veraltet und in einer bestimmten Ära verhaftet. Euer Retrovibe gehört allerdings zu einer bestimmten Dekade, ist also auch nicht ganz zeitlos. Wo liegt der Unterschied?

Ich verstehe die Frage, alte Marshalls klingen eben nach alten Marshalls. Aber die Drums zum Beispiel: Die klingen bei Musik wie unserer wie Drums. Das gilt für Schlagzeuge auf modernen Metal-Alben nicht, da ist alles stark bearbeitet und verfremdet. Und diese ganzen digitalen Spielereien, die gingen in den Achtzigern los. Da sind die Leute durchgedreht, das bedeutet für mich „veraltet“. Vorher bestimmten das Studio und die Instrumente die Sounds, nicht die Effekte. Mit Dead Lord wollen wir nicht auf Teufel komm raus „alt“ klingen, aber wir stellen eben Mikros vor die Amps und die Drums – und dann klingt die Aufnahme eben, wie die Band mit ihren Instrumenten klingt.

Das Foto könnte auch aus den Siebzigern stammen. Gut so.

Welche Instrumente sind das bei dir?

Jetzt wird’s nerdy! Ich spiele zwei weiße SGs Juniors von 1999. Früher waren die mal schwarz und hatten P90-Pickups. Ich mag allerdings weder schwarze Gitarren noch P90s. Bei meiner Hauptgitarre habe ich deshalb ein Ebony-Griffbrett eingebaut mit Super-Jumbo-Bünden und eine Verkabelung für drei statt zwei Pickups. Das sind alte DiMarzio-PAFs, glaube ich. Ich habe auch die Kopfplatte größer gemacht, damit das Ding wie ein Custom aussieht. Das ist schon eine komische Klampfe. Als Amp habe ich einen 1973er-Marshall-Superlead mit der alten Marshall-4x12er von, kein Witz, John Norum von Europa. Schweden ist eben nicht so groß (lacht). Ich habe nur noch Greenback-Speaker reingetan.

Wie geht ihr die Harmony-Soli an – rumprobieren oder Intervalle ausarbeiten?

Früher habe ich das immer genau ausgecheckt, meistens eine Terz drüber oder drunter. Manchmal auch Quinten, aber das klingt immer nach Viking-Metal (lacht). Heutzutage spiele ich meist die Grundstimme und bitte Olle dann, eine Harmonie drüber zu setzen. Er hat ein gutes Ohr für sowas und auch Ahnung von der Theorie. Grundsätzlich folge ich dem Feeling. So kommt dann manchmal auch eine Quarte rein oder so.

Euer Album heißt: „Wir vertrauen in die Ignoranz“. Was steckt dahinter?

Ich interessiere mich sehr für Wissenschaft, Physik und solche Sachen. Das liegt ja nahe, wenn man gerne an Elektronik herumschraubt. Und wenn ich mir die Welt so angucke und die Leute, die der Auffassung sind, Wissenschaft sei etwas, an das man glauben kann oder auch nicht, dann wirkt das doch sehr befremdlich. Wir alle benutzen Computer, und die beruhen auf der gleichen Wissenschaft, die uns auch sagt, wie alt das Universum ist.

Sie tun nur so ignorant: Dead Lord.

Nachvollziehbar, aber wie passt das in eine Rock’n’Roll-Band?

Naja, unser Drummer zum Beispiel steht tatsächlich gar nicht auf sowas. Keine Ahnung, wie oft ich ihm erklärt habe, wie ein Strohhalm funktioniert oder dass man den Wasserstrahl daraus verändern kann, wenn man das Plastik statisch auflädt. Ich wollte ihm klarmachen, dass sowas cool ist – vergeblich (lacht). Generell sehe ich keinen Widerspruch darin, sich für Wissenschaft zu interessieren und in einer Rock’n’Roll-Band zu spielen. Denn viele Leute, die ich in dieser Szene treffe, haben die Realität im Blick, konkrete Dinge – nicht Religion oder einfache Erklärungen für schwierige Probleme. Das sieht bei Trump-Anhängern vermutlich anders aus.

Das Album hat also auch politische Aspekte?

Ja. Was gerade in der Welt abgeht, politisch und sozial – das sind Themen, die mich interessieren. Das inspiriert mich, darüber singe ich, deswegen will ich Songs schreiben. Mich macht es zufriedener, über echte Themen zu schreiben als über Saufen und Sex. Generell frustriert es mich, wie anti-intellektuell viele Leute eingestellt sind. Wenn jemand behauptet, dass er nicht an Fakten glaubt, werde ich wütend. Das ist der Dunning-Kruger-Effekt: Wenn Leute beschränkt sind, dann sehen sie auch nicht, wieviel man eigentlich wissen könnte.


Info: Das neue Dead Lord-Album „In Ignorance We Trust“ (Century Media) steht bereits in den Läden. Alle Streams und Online-Stores finden sich hier. Die Band ist zurzeit auf Tour, die Daten stehen hier.