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Hearsafe hört zu: Marco Tiziano Alleata (GER) im Interview

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Auf Tour mit Shadmehr Aghili: Marco Tiziano Alleata spielt E-Bass in der Band des iranischen Musikers. © Hossein Ansari

Mehr als zwei Millionen Facebook-Follower, restlos ausverkaufte Hallen und ekstatische Fans: Shadmehr Aghili ist ein iranischer Superstar. Ein Gespräch mit unserem Kunden Marco Tiziano Alleata, der als Bassist des Ausnahmemusikers engagiert ist.


Du bist Profimusiker und hast einen Job, der relativ ausgefallen ist. Erzählst du einmal, was du machst?

Du meinst bestimmt die Band von Shadmehr (Aghili, iranischer Popmusiker – Anm. d. Red.), in der ich mitspiele. Wenn man ein Jahr herausrechnet, in dem ich mein Bachelorstudium beendet habe, bin ich dort jetzt seit fünf Jahren beschäftigt. Mit ihm ist es sehr witzig und er hat meinen musikalischen Horizont um Längen erweitert.

 

Marco und seine Hearsafes © Marco Tiziano Alleata

Was genau meinst du damit?

Shadmehr Aghili ist ein iranischer Superstar, der in Los Angeles wohnt und bereits in jungen Jahren berühmt geworden ist, ob durch Filme oder seine Musik, die sehr orientalisch angehaucht ist, was die Melodieführung, die Rhythmik und die Lines betrifft, die man spielen soll. Das ist alles sehr komplex. Das Songwriting ist weit von unseren Hörgewohnheiten entfernt und für mich als Europäer war es am Anfang sehr schwer, in diese Musik einzusteigen. Shadmehr komponiert allerdings sehr modern und jede Tour umfasst ein bis zwei neue Songs. Traditionellere Sachen spielen wir natürlich auch. Europa klingt sehr westlich, die Melodie ist eingängig und die Akkordfolge eher simpel. Man hat eine Akkordfolge und ergänzt später die Melodie. Die Musik von Shadmehr und die traditionelle iranische Musik sind ganz anders. Dort folgen die Akkorde der Melodie und es gibt ganz unterschiedliche Songparts. Man kann gar nicht sagen, was Strophe, Refrain, C-Part oder Bridge ist, denn alles ist sehr wild und frei komponiert. Es war zu Beginn sehr zeitintensiv, das ins Gehör und in die Finger zu bekommen.

 
 

Hierzulande ist Shadmehr nicht so bekannt, im Iran ist er ein Popstar. Wie erlebst du diese Parallelwelt?

Wenn die Fans in der Heimat Shadmehr sehen, brechen sie in Tränen aus und hier kennt man ihn so gut wie gar nicht. Bei manchen Konzerten sieht man allerdings auch deutsche Fans. Die sprechen zwar die Sprache nicht, finden aber die Musik toll. Was ihm im Westen Aufmerksamkeit gebracht hat, ist das er den Song „Popcorn“ auf der Geige modern neu interpretiert hat. Diese Parallelwelt ist schon sehr verrückt. Man reist in Länder, zu denen man privat nie einen Bezug hätte. Wir fliegen normalerweise eher innerhalb von Europa ans Meer und verbringen dort unseren Urlaub. Nach Aserbaidschan, Armenien, in den Osten der Türkei oder Dubai fliegen die wenigsten. Es wird also nicht nur der musikalische Horizont erweitert, sondern auch der kulturelle. Wenn du als Musiker unterwegs bist, bist du ja kein Tourist, sondern arbeitest vor Ort. Du arbeitest mit einer Backline-Firma, mit einer Sound-Firma, mit Promotern und all den Leuten, die sich um alles kümmern. Jedes Land hat seine Eigenheiten und dabei sind schon sehr viele Anekdoten herausgekommen.

 

Was sind zum Beispiel die Eigenarten im Iran, wo Shadmehr herkommt?

Ich war selbst lustigerweise noch nie dort, würde aber gerne einmal dorthin. Bei Iranern hast du das Gefühl, dass sie die Freundlichkeit und Zuvorkommenheit mit der Muttermilch aufgesogen haben. Die sind alle so entspannt, lieb, freundlich und auch gastfreundlich, das ist unglaublich. Auf allen Konzerten, die wir auf der ganzen Welt gespielt haben, geht vor allem den Iranern das Herz auf. Die Lächeln und sind fröhlich, ob vor, während oder nach dem Konzert. Das ist ein ganz toller Schlag Menschen. Klar, wir spielen in der Band ihres Superstars. Vielleicht ist es deshalb ein wenig mehr an Freundlichkeit und Lächeln, das sie mir entgegenbringen. Ein tolles und herzliches Volk.

 

Marco in Aktion (l.) © Hossein Ansari

Wie bist du in diesen Job hereingerutscht?

Shadmehr hat Musiker in Amerika und in Europa. Zu unserer Band gehören auch zwei Iraner, die allerdings in Deutschland aufgewachsen sind. Wir sind alle um die 30 Jahre alt, also eine relativ junge Truppe und alle kommen aus dem Bereich NRW, Köln, Düsseldorf und Münster. Ich bin durch eine Empfehlung dazugestoßen. Zunächst sollte ich einspringen, habe dann die gesamte Tour gespielt und letztendlich hat man sich für mich entschieden. Ich fand das alles super und war sofort begeistert. Als ich ursprünglich gefragt wurde, „ob ich mal so ‘ner persischen Band spielen“ möchte, dachte ich zunächst einmal: „Warum nicht? Das ist ganz andere Musik.“ Dann habe ich mir die Songs angehört, alles gegoogelt und mich informiert. Da habe ich zum Beispiel gesehen, dass er über 2,3 Millionen Facebook-Fans hat. Da habe ich zum ersten Mal realisiert, dass das etwas echt großes ist. Wenn Shadmehr in der König-Pilsener-Arena in Oberhausen spielt, zieht er 14.000 Leute. Das erste Konzert haben wir dann prompt in der Türkei gespielt.

 

Inwiefern unterscheidet sich der Touralltag in der Türkei vom europäischen Touralltag?

Im Prinzip durch alles. Die Soundchecks dauern mehrere Stunden und das bei 40° im Schatten. Die Beschallungsfirma liest den Tech-Rider nur zur Hälfte oder es fehlen einfach Leute. #Patching ist bei uns zum Evergreen geworden. Jetzt sind wir sogar auch Toningenieure, die nicht nur Musik spielen, sondern auch Ahnung von der technischen Seite haben. Wir haben sowohl unser Instrument, als auch alles, was mit Tonaufnahme zu tun hat, studiert. Shadmehr ist das sehr recht. Beim Soundcheck geht keiner, wenn nicht alles bis ins Detail stimmt. Schließlich müssen wir tausenden von Leuten eine gute Show bieten. Zu den Eigenarten: Die meisten können kein Englisch und man muss sich mit Händen und Füßen unterhalten. Wasser ist auf der Bühne immer sehr wichtig und meist müssen wir mehrfach nachfragen, bis wir welches bekommen. Man übt sich hartnäckig in Geduld. (lacht) Bisher ist aber jedes Konzert super gelaufen. Auch wenn man mal zwei Stunden auf etwas wartet: Irgendwie geht es immer weiter. Man muss sich immer den Spaß an der Sache vor Augen halten.

 

Wie erlebst du den Umgang des Iran mit der Popkultur?

Die Popkultur ist dort genauso angekommen wie hier, nur erfahren wir das nicht. Im Kern ist der Iran ein richtig modernes Land. Was den Kulturbereich betrifft, ob bildende Künste, Theater oder auch die Musik sind die absolut auf Augenhöhe mit uns bzw. wenn es um Rhythmus und Percussion geht, sind sie uns sogar weit voraus. In Teheran werden zum Beispiel Schlagzeug- und Percussion-Weltmeisterschaften abgehalten. Ein guter Freund von mir fliegt jedes Jahr dorthin. Wer etwas mit Percussion und Drums zu tun hat, kommt an diesem Fleckchen Erde nicht vorbei.

 

…und das Publikum ist zufrieden © Hossein Ansari

Wie bist du zum Thema Gehörschutz und In-Ear-Monitoring gekommen? Wann hast du angefangen, dich damit zu beschäftigen und wie hilft dir das bei deinem Musiker-Alltag?

Zum Gehörschutz bin ich durch mein Studium gekommen, wo ich den ersten Kontakt mit Hearsafe hatte. Ich habe mir damals einen angepassten Gehörschutz geleistet und habe mich dadurch damit befasst, dass nicht nur das Instrument mein Arbeitsgerät ist, sondern natürlich auch mein Gehör. Deshalb möchte ich es schützen, so gut es geht. Zum Thema In-Ear-Monitoring: Seit ich damit angefangen habe, auf so großen Bühnen zu spielen, wo man herumhüpft und vom einen Ende zum anderen läuft, bin ich auf In-Ear-Hörer umgestiegen. Das funktioniert mit Wedges einfach nicht. Selbst mein Amp ist auf der Bühne inzwischen eher Attrappe. Wenn ich daneben stehe, höre ich ein bisschen mehr und spüre den Bass, aber das ist es auch. Dass es auf so großen Bühnen nicht ohne geht, liegt zum einen daran, dass große Bühnen unfassbar laut sind. Zum anderen: Was glaubst du, wie viel Krach so ein Publikum machen kann, wenn der Superstar auf die Bühne kommt? Die machen einen Höllenlärm und ohne In-Ear-Monitoring wäre all das gar nicht zu realisieren.

 

Dann wären wir bei der letzten Frage: Was steht so an und was erhoffst du dir noch von diesem Job? Wohin hoffst du, dass dieser Weg dich führen wird?

Ich hoffe, dass ich noch möglichst lange mit Shadmehr auf Tour sein kann. Erstens habe ich die Musik lieben gelernt und außerdem kommt er für jede Tour mit neuen Sachen. Er ist ein unglaublicher Instrumentalist und kann jedes Instrument auf der Bühne auch selbst spielen. Er hat Trompete studiert, spielt Geige, singt, spielt Klavier… Er ist ein absoluter Profi. Wir haben mal auf einer Bühne in Dubai gejammt. Auf einmal schnappt er sich meinen Bass und slappt mir einen vor. Am Schlagzeug ist er inzwischen auch schon ein richtiger Profi. (lacht) Es ist unglaublich. Ein kleiner Wunsch an mich selbst: Ich möchte Farsi lernen, damit ich mehr von den Texten verstehe. Außerdem möchte ich weiterhin meinen Horizont erweitern. Die Truppe ist cool und wir sind nicht nur Musiker, sondern auch Freunde. Das Reisen ist zwar stressig, aber auch sehr spannend. Manchmal sind wir drei Tage wach. Flughafen, Hotel, kurz frisch machen, vielleicht etwas essen, ab zur Venue, ein paar Stunden Soundcheck, wieder zum Hotel, zurück zum Konzert, bestenfalls ein paar Stunden schlafen, hochkommen und wieder ab in’s Flugzeug. Das ist alles viel Arbeit, aber die Orte und die Menschen, die man unterwegs trifft und die Musik, die man macht und mit der man Menschen glücklich macht, entschädigen einen für alles. Wir haben nach drei Tagen ohne Schlaf immer noch die gleiche Energie, sobald wir einen Fuß auf die Bühne setzen.